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Wieso du Geschichten lesen musst

Text erstmals Erschienen in der App „Rohpost“

“Die Ausrichtung des Herzens kann man nicht ändern, ohne eine Geschichte zu erzählen.” – Martha Nussbaum

Ein Gesetzestext hilft uns nur bedingt, Gerechtigkeit zu verstehen. Und auch die am besten durchdachte Moralphilosophie kann uns nicht beibringen, das Leid anderer nachzuvollziehen. Geschichten können das.

Eine Geschichte kann in vielen Bereichen des menschlichen Denkens, aber ganz besonders im Bereich der Ethik, einen viel tiefgreifenderen Einfluss auf uns, unser Wesen und unser Verhalten haben, als die Wissenschaft. Und ich spreche dabei nicht exklusiv von vermeintlich “ernsthafter Literatur”.

Ob Werke von Stephen King, Charlotte Link oder Michael Ende – Wenn eine Geschichte es schafft, uns zu fesseln, werden wir mit den Figuren leiden und uns mit ihnen freuen, uns sogar um sie sorgen. Dadurch können wir lernen, uns vorzustellen, was ein anderes Wesen als wir selbst in verschiedenen Situationen fühlt, wie es die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum beschreibt.

Das heißt natürlich nicht, dass die Moralphilosophie von Denkern wie Immanuel Kant oder John Stuart Mill keinen Wert hätte. Ihre Stärke liegt nur an anderer Stelle. Sie scheint weniger dazu geeignet zu sein, direkt auf das menschliche Wesen zu wirken, als Vorstellungen von einem besseren, gerechteren Zusammenleben zu inspirieren und zu definieren, was seinen ganz eigenen Wert hat.

Aber um zum Beispiel einen ersten Gerechtigkeitssinn überhaupt zu entwickeln, müssen wir lernen, mit anderen zu fühlen. Wir müssen Empathie lernen. Und das passiert in dem Moment, in dem wir lesen, wie Hermine Granger unter rassistischen Vorurteilen leidet oder wie Ebenezer Scrooge lernt, was Menschlichkeit bedeutet. In diesem Sinne:

“Lest! Lest! Sonst seid ihr Verloren!” – Walter Moers: Rumo & die Wunder im Dunkeln

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